Die bekannteste Tugend in Deutschland ist wohl die Pünktlichkeit. Schon im Kindergarten muss man sich sputen seine Schuhe und Jacke schnell genug anzubekommen, um auch genügend Zeit draußen zu haben. Sonst hat man es gerade erst geschafft, dass das Häschen durch die Schlaufe huscht und alle Kinder kommen schon wieder rein und man versucht mühselig die Knoten wieder auf zubekommen.
In der Grundschule geht es dann weiter mit dem Gong, der Pausen und Unterrichtsstunden angibt. Im Job wird der Gong dann durch die Stempeluhr ersetzt, die letzten Endes den Takt des Gehalts angibt.
Es ist ein täglicher Wettlauf gegen die Zeit, um pünktlich zur Arbeit zu erscheinen, die Arbeiten fristgerecht abzuliefern und dann zum Feierabend zeitig am Treffpunkt mit den Freunden zu erscheinen.
Klar ist es ein schönes Gefühl, wenn alle pünktlich erscheinen. Man hat nicht diese unschönen Wartezeiten am zugigen Bahnhof oder in der pratzen Sonne, um endlich mit der Freundin zum See fahren zu können. Meiner Meinung nach also eine schöne Tugend.
Doch warum ist uns Pünktlichkeit so wichtig?
Wer pünktlich ist, hat meistens mehr. Mehr Zeit mit den Freunden, Mehr Zeit nach der Arbeit für schöne Dinge. Mehr Zeit, um seinen Job ordentlich zu machen, Mehr Gehalt (sofern man davon ausgeht, dass man nicht länger auf der Arbeit bleibt). Mehr Zeit am Morgen, um sich fertig für die Arbeit zu machen. Man hat einfach eine Struktur und einen getackteten Tag.
Mit diesem Druck im Nacken immer alles pünktlich zu erledigen, schafft man häufig auch mehr was man sich vornimmt. Man kann Projekte besser planen, weil man auch aus den Erfahrungen schöpfen kann. Durch die Pünktlichkeit hat man stetig die Zeit im Blick und damit meistens ein besseres Zeitgefühl. Demnach kann man den gesamten Tag auf die Minute genau tackten und abarbeiten.
Was passiert, wenn wir die Pünktlichkeit einfach mal ignorieren?
In einigen Jobs wäre das wohl fatal. Zum Beispiel bei den öffentlichen Verkehrsmitteln, der Polizei, den Krankenhäusern, Schichtbetrieben und so weiter.
Doch es gibt auch Momente, wo wir vielleicht zu viel des Guten planen. Unsere Freizeit, das Wochenende oder der Urlaub müssen in der Regel nicht auf die Minute genau getaktet werden. Klar sollte man die Freundin vor dem Café nicht stundenlang warten lassen, weil man seine Uhr ab jetzt verbannt.
Eher geht es darum, dass man auch einfach mal in den Tag hineinleben kann. Quasi das Klischee eines Hippies auslebt.
Das Leben so nehmen, wie es gerade kommt.
Einfach mal in sich hineinhorchen, worauf man gerade Lust hat. Auf seinen Körper hören, wann er Hunger hat oder müde ist. Wann ihm nach Bewegung oder Geselligkeit ist. Einfach mal die Ruhe und Entspannung genießen. Und einfach mal den Kalender in der Ecke liegen lassen.
Planen ist gut, aber wie es so häufig der Fall ist: Die Dosis macht das Gift. Das Gegenteil von ‚Gut‘ ist ‚gut gemeint‘. Und so weiter. Wenn wir jeden Moment des Tages vollkommen durchplanen, ist keine Zeit mehr für Spontanität. Wir lassen dadurch vielleicht Gelegenheiten sausen, die uns aber guttun würden. Gehen von Partys früher nach Hause, um am nächsten Morgen pünktlich aus den Federn zu kommen. Essen das Stück Kuchen vom Kollegen nicht, weil es in 78 Minuten Abendessen gibt. Oder steigen jetzt nicht auf halber Strecke aus dem Bus aus, weil wir den Sonnenuntergang so schön finden, dass wir ihn gerne beobachten würden.
Wenn die schönen und spontanen Dinge im Leben keinen Platz mehr haben, sollte man seine Planung überdenken. Hilfreich sind hierfür größere Puffer, die man sich für solche Gelegenheiten im Vorhinein mit einplant oder aber man plant einfach mal nichts! Einfach mal den Kalender für den gesamten Urlaub in der Ecke liegen lassen und einfach mal leben!
Alles in Allem:
Struktur und Planung sind gut. Sie helfen uns, Ruhe zu bewahren, den Durchblick zu behalten, Freunde nicht im Regen stehen zu lassen und im weitesten Sinne auch um Geld zu verdienen.
Man sollte sich dabei jedoch Zeiten für Spontanität einräumen. Seine Freizeit nicht komplett verplanen und einfach mal das Leben auf sich zukommen lassen.
Ohne der stressigen Zeit im Nacken kann man viel einfacher auf seinen Körper hören. Er sagt dir schon rechtzeitig genug Bescheid, wann es Zeit fürs Mittagessen ist, wann du dich ins Bett begeben solltest und wann du dich mal wieder an der frischen Luft bewegen solltest. Du musst ihm einfach nur mit etwas Geduld und Einfühlsamkeit zuhören.
Deine Aufgabe:
Nutze mal deinen nächsten Urlaub oder das kommende freie Wochenende als planfreie Zone. Sei ein „Hippie“ und lass alles auf dich zukommen. Nimm dir den Druck der Zeit raus und lerne dich und deine Bedürfnisse wieder kennen. Und nutze spontane Gelegenheiten. Das bringt einen frischen Wind in deinen Kopf.
Mit anderen Worten: Lege deinen Kalender in die Schublade und hole ihn erst am Ende deines Urlaubs wieder heraus!
Disclaimer: Ich bin kein Hirnforscher, Psychologe oder ähnliches. Es handelt sich hier lediglich um meine Gedanken, Meinungen und Erfahrungen, die ich mir entweder angelesen oder durch meine eigenen Erfahrungen oder Beobachtung gemacht habe, die ich gerne an dich weitergeben möchte. Also lasse mir auch gerne deine Meinung zu dem Thema da.